303

Gesellschaft/Liebe, Deutschland 2018

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Jan ist davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus egoistisch ist. So überrascht es ihn nicht, dass ihn sein Mitfahrer für die Fahrt nach Spanien ohne Vorwarnung im Stich lässt. Jule hingegen glaubt, dass Menschen eigentlich empathisch und hilfsbereit sind, und zögert nicht, Jan in ihrem alten Van 303 mitzunehmen. Jule und Jan sind beide 24, Studierende aus Berlin, die sich zu Beginn der Semesterferien an einer Autobahntankstelle begegnen und zu debattierfreudigen Reisegefährten werden. Jan will in Spanien seinen ihm unbekannten Vater kennenlernen, Jule ihren Freund in Portugal aufsuchen. Bis dahin haben sie Zeit. Zum Reisen, zum Reden und, irgendwann, zur Liebe. Regisseur Hans Weingartner gelingt das Wunder eines ebenso realistischen wie romantischen Rede- und Reisefilms, erzählt mit einer schwerelosen Leichtigkeit, wie man sie sonst nur vom französischen Kinoplauderer Eric Rohmer kennt. Oder aus „Before Sunrise“ (1994) von Richard Linklater, in dem eine junge Französin (Julie Delpy) und ein junger Amerikaner (Ethan Hawke) durch Wien wandern und von sich und vom Zustand der Welt erzählen. Damals war Weingartner als Produktionsassistent dabei und fuhr Julie Delpy durch die Stadt; da war auch er 24 Jahre alt, und schon damals wollte er so etwas einmal machen, „diese Kombination aus Philosophie und Liebesfilm“. Am Anfang steht ein Eintrag aus dem "Schmargendorfer Tagebuch" (1898) von Rainer Maria Rilke: „Dieses ist das erste Vorgefühl des Ewigen: Zeit haben zur Liebe.“ Damals war der 22-jährige Rilke unsterblich in eine 14 Jahre ältere Frau verliebt: in die weitgereiste Schriftstellerin und (spätere) Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé, die für ihn zeitlebens „zugleich Muse und sorgsame Mutter“ war, wie Sigmund Freud notierte. Und nun reden Jule und Jan über „die Welt“: über das vom Kapitalismus gewollte Single-Dasein, durch das sich doppelt so viele Kühlschränke und Staubsauger verkaufen lassen; über den kriegerischen Neandertaler und den kulturliebenden Cro-Magnon, über Kooperation und Konkurrenz als konträre Prinzipien menschlichen Handelns, über MHC-Gene und den Duft bei der Partnerwahl – und warum sich die Welt überhaupt völlig ändern müsse. Manchmal mögen die beiden gar zu klug sein, aber für Weingartner werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unterschätzt: „Diese jungen Gehirne, die sind schon sehr frisch, die verstehen einiges. Die Jugend wird heutzutage einfach früher erwachsen.“ Neugierig, respekt- und liebevoll nähert er sich Jule und Jan auf ihrer Fahrt im alten Mercedes-303-Wohnmobil, wobei die feine Sensorik von Mala Emde und Anton Spieker den Figuren Leben einhaucht. So vergisst man mit ihnen die Zeit, verfolgt gespannt, wie sich Jule und Jan irgendwann "anders" beobachten und dann doch so lange wie möglich hinauszögern, dass sie sich ineinander verliebt haben. "Wie Jule und Jan den anderen erst doof finden und sich dann Satz für Satz, Kilometer für Kilometer herantasten an den anderen, bis sie irgendwann verwundert bemerken, dass sie ja längst verliebt sind, das ist hinreißend gespielt. Nuancen verraten die Gefühle: ein schüchterner Blick von der Seite, oder ein verärgertes Stapfen, wenn Jan sich in seiner inneren Unsicherheit von Jule erkannt sieht. Vor allem Mala Emde, die beim Dreh erst 19 war, wird man hoffentlich noch häufiger auf der Leinwand sehen. Ihre Jule wirkt wie aus einem Nouvelle-Vague-Film: zierlich und verwundbar, aber ihre Ausstrahlung haut einen um." (Martina Knoben, auf: sueddeutsche.de) Weingartner feiert diesen utopischen Schwebzustand als „ein Hochgefühl, mit nichts anderem zu vergleichen“. Schon immer war das Kino ein Ort, an dem wir unserer Fantasie freien Lauf lassen können, während in der Realität nur denkbar wenig Platz für Träumereien ist. Selten aber erlebt man im (deutschen) Kino, dass jemand so beharrlich und einfühlsam der Wirklichkeit romantische Räume abringt. Weingartner zeigt, wie eine Welt aussehen kann, in der wir gut und gerne leben wollen. "Weingartner (der mit 'Die fetten Jahre sind vorbei' und 'Free Rainer – Dein Fernseher lügt' eher politisches als romantischen Kino gemacht hat) hat mit '303' einen Film tief aus dem Herzen des jungen, europäischen, politisch links bewegten, weißen Bildungsbürgertums gedreht – einen völlig unzynischen Film über die Liebe. Ohne Schmalz und doppelten Boden." (Rochus Wolff, auf: kino-zeit.de)
Sprache:
Deutsch

Auszeichnungen

Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2018 Nachwuchsdarstellerpreis
Festival des deutschen Films 2018 Regiepreis
Fünf Seen Filmfestival 2018 Bestes Drehbuch

Weitere Informationen

Komposition:

Michael Regner

Sound Design:

Uwe Dresch

Originaltitel:

303

Originalsprache:

Deutsch

Format:

1,85:1 HD, Farbe

Altersempfehlung des KJF:

Ab 15 Jahren

Altersfreigabe:

FSK 12

Sprache:

Deutsch